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Wheat Field

Neuen Genomtechniken (NGT): Forderung nach einer öffentlichen Debatte

  • Meng Landwirtschaft
  • 15. Okt.
  • 4 Min. Lesezeit

Wir, die unterzeichnenden Organisationen der luxemburgischen Plattform „Meng Landwirtschaft“, möchten hiermit eine gemeinsame Stellungnahme zu gentechnisch veränderten Pflanzen aus „neuen Genomtechniken“ (NGT) abgeben, die derzeit im Rahmen eines Entwurfs für eine europäische Verordnung COM(2023) 411 final / 2023/0226 (COD) vom 5. Juli 2023 erörtert werden.


Zusammenfassung des Inhalts der Verordnung

Das neue Gesetz stuft Pflanzen, die im Labor durch gezielte Mutagenese im Cisgenese-Verfahren an maximal 20 verschiedenen Stellen im Genom gentechnisch verändert wurden (Pflanzen der Kategorie NGT1), als identisch mit Pflanzen aus traditioneller Pflanzenzüchtung ein.

Damit würden NGT1 Pflanzen aus der aktuellen GVO-Gesetzgebung genommen und Verfahren zur Risikobewertung vor dem Inverkehrbringen sowie Kennzeichnung als genetisch veränderte Organismen (GVO) auf Lebensmitteln wegfallen.


Folgen für Verbraucher*innen und Landwirt*innen

  • Verlust der Transparenz und Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln aus der Biotechnologie

  • Einschränkung der Wahlfreiheit für Verbraucher*innen

  • Förderung von zentralisiertem Saatgut (in multinationalen Saatgutunternehmen) und privatisiertem Saatgut (durch Patente auf Lebewesen)

  • Einschränkung der Lebensmittel- und Saatgutautonomie der Regionen und der Vielfalt regionaler Sorten (kultivierte Biodiversität)

  • Verlust der Möglichkeit der Mitgliedstaaten, das Inverkehrbringen von NGT1-Pflanzen zu untersagen (Abschaffung der Ablehnungsoption gemäß der Richtlinie (EU) 2015/412)


Öffentliche Debatte

Am Vorabend der Verabschiedung der Verordnung zur Deregulierung von Pflanzen der Kategorie NGT1 möchten wir als Akteure, die sich für eine Landwirtschaft einsetzen, die die Umwelt, die öffentliche Gesundheit, die Rechte der Landwirte und die Transparenz gegenüber den Bürgern respektiert, eine öffentliche Debatte über die Zukunftsfragen der Ernährung und der Landwirtschaft initiieren und begleiten.

Die folgenden Fragen sollen im Rahmen dieser Debatte behandelt werden:

  • Die NGT-Verordnung kündigt klimarobuste und pestizidunabhängige NGT-Sorten als Lösung für eine resiliente und ökologische Lebensmittelproduktion an. Derzeit sind neue Genomtechniken jedoch noch nicht in der Lage, solche Sorten zu schaffen. Wie kann ein Gesetz verabschiedet werden, das auf Versprechungen und nicht auf Fakten basiert? Sollten nicht zuerst einmal die angekündigten klimarobusten und pestizidunabhängigen Sorten entwickelt und für ein paar Jahre auf ihre Verlässlichkeit geprüft werden, bevor man daran geht, die bestehenden Regelungen zur Wahlfreiheit von Ländern, Landwirten und Verbraucher*innen zu beschneiden?

  • Angesichts der aktuellen ökologischen, wirtschaftlichen und politischen Krisen zielen die Initiativen in der europäischen Agrarpolitik sowohl auf einen ökologischen Wandel als auch auf die Förderung regionaler und unabhängiger Lebensmittelsysteme ab. Diese Ambitionen wurden in den Konzepten des Green New Deal und der Open Strategic Autonomy formuliert. Wie lassen sich regionale Lebensmittelsysteme auf der Grundlage von privatisiertem Saatgut konzipieren, das von den Landwirten nicht reproduziert werden kann? Wäre es nicht sinnvoller, die Saatgutsouveränität der Regionen auf der Grundlage von traditionellem, auf dem Hof reproduzierbarem Saatgut (on-farm conservation and development) zu fördern?

  • NGT werden als schnelle, einfach umzusetzende und kostengünstige Verfahren definiert, mit denen alle Nationen der Erde wieder regionale Systeme der Sortenentwicklung und Saatgutproduktion entwickeln können. Müssten solche Ankündigungen von Dezentralisierung und Saatgutautonomie nicht konkretisiert werden, bevor man von einer realistischen Perspektive sprechen kann? Wäre zum Beispiel die Garantie der Nichtpatentierbarkeit von NGT1-Sorten nicht der erste notwendige Schritt in diese Richtung?

 

Unsere Vision für die Zukunft

Wir erkennen die beeindruckenden Fortschritte der letzten Jahrzehnte in den Bereichen Genforschung, Technologie und Zusammenarbeit zwischen den Nationen an. Wir mahnen jedoch Politiker und Bürger, dafür zu sorgen, dass diese Fortschritte in erster Linie dem Gemeinwohl und der Entwicklung einer ökologisch und sozial nachhaltigen Gesellschaft zugutekommen und nicht den Interessen einer kleinen Zahl multinationaler Unternehmen.

Wir sind überzeugt, dass eine regionale, vielfältige und ökologische Landwirtschaft eine grundlegende Basis für die Zukunft darstellt, und schließen uns daher den Zielen der Dekade für die Familienlandwirtschaft (Vereinte Nationen, 2019-2028) an. Wir schließen uns auch den Zielen des Saatgutvertrags (Vereinte Nationen, 2001) und der Erklärung über die Rechte der Bauern (Vereinte Nationen, 2018) in Bezug auf die Vielfalt unserer Nahrungspflanzen und das Recht auf Saatgut an.

Was die für eine qualitativ hochwertige und ausreichende Ernährung geeigneten Nahrungspflanzenarten betrifft, unterstützen wir Sorten aus der biologischen Pflanzenzüchtung, welche seit Jahrzehnten zeigt, dass reproduzierbare und genetisch vielfältige Sorten das beste Mittel sind, um dem Klimawandel und seinen Nebenwirkungen auf die Pflanzengesundheit zu begegnen. Die Sicherung unserer Ernten in unsicheren Zeiten kann am besten durch eine große Vielfalt regionaler Sorten erreicht werden, die sich im Kontext einer sich verändernden Umwelt kontinuierlich und schrittweise weiterentwickeln können.


Schlussfolgerung

  1. Künstliche Veränderungen im Labor an bis zu 20 verschiedenen Stellen im Genom einer Pflanze durchzuführen, ist nach unserem Verständnis nicht gleichwertig mit traditioneller Pflanzenzüchtung. Wir schließen uns somit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 25. Juli 2018 (C-528/16) an, das besagt, dass auch die neuen genomischen Techniken unter die bestehende EU-Gentechnik-Gesetzgebung fallen sollten.

  2. NGT sind bisher weder in der Lage, polygene Eigenschaften der Pflanzen zu verändern noch die ökosystemischen epigenetischen Entwicklungsprozesse nachzuahmen, die die Pflanzen bei der traditionellen Sortenentwicklung und Saatgutvermehrung durchlaufen. Wenn NGT der Weg der Zukunft sein sollen, müsste dies erst einmal durch belastbare und dauerhafte Fakten belegt werden. 

  3. Wir fordern eine wahre öffentliche Debatte und einen transparenten Entscheidungsprozess sowohl auf luxemburgischer als auch auf europäischer Ebene. Als Organisationen der Zivilgesellschaft, die sich aktiv in Fragen der Zukunft der Ernährung und der Ökologie einbringen, treten wir für eine Überarbeitung des Verordnungsprojekts auf der Grundlage von Fakten und nicht von Versprechungen ein. Wir sind bereit, detaillierte und fundierte Informationen zur Untermauerung der Argumente dieses Positionspapiers zur Verfügung zu stellen und schlagen dem Landwirtschaftsministerium ab Herbst 2025 eine öffentliche Expertenaustausch vor, damit die Bürger*innen sich umfassend informieren und sich ein eigenes Urteil bilden können.


August 2025

 
 
 

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